Was heißt es, eine Stimme zu haben?

Wer wird gehört? Wer wird nicht gehört? Und warum?

Was heißt es, sich Gehör zu verschaffen?

Kann eine Stimme zu laut werden und was geschieht dann mit ihr?

Wie kann einem Gegenüber, dessen Geschichte droht, in der Schnelllebigkeit des Alltags oder in der Flut der auf uns einstürzenden Bilder unterzugehen, eine Stimme gegeben werden?

Was heißt es, eine Stimme zu haben?


Wer wird gehört? Wer wird nicht gehört? Und warum?

Was heißt es, sich Gehör zu verschaffen?

Kann eine Stimme zu laut werden und was geschieht dann mit ihr?

Wie kann einem Gegenüber, dessen Geschichte droht, in der Schnelllebigkeit des Alltags oder in der Flut der auf uns einstürzenden Bilder unterzugehen, eine Stimme gegeben werden?

Ein kollaboratives Projekt von und mit: 



Evgeny Ring - Altsaxophon & Komposition

Philip Frischkorn - Klavier & Komposition

 Marc Muellbauer - Kontrabass 

Eva Klesse - Schlagzeug & Komposition


feat.


Michael Schiefel – Stimme

Zuza Jasinska – Stimme

Philipp Rumsch – Sound Design, Electronics



Texte von: 



Ellen Hellwig

Daria Serenko

Yulia Tsvetkova

Sondos Shabayek 

Carolin Emke

Fred Hersh


und vielen anderen

Ein kollaboratives Projekt von und mit: 



Evgeny Ring - Altsaxophon & Komposition

Philip Frischkorn - Klavier & Komposition

 Marc Muellbauer - Kontrabass 

Eva Klesse - Schlagzeug & Komposition


feat.


Michael Schiefel – Stimme

Zuza Jasinska – Stimme

Philipp Rumsch – Sound Design, Electronics



Texte von: 



Ellen Hellwig

Daria Serenko

Yulia Tsvetkova

Sondos Shabayek 

Carolin Emke

Fred Hersh

und vielen anderen

Die Idee des Kollektivs zu STIMMEN entstand 2020 in der Einsamkeit des ersten COVID-19 bedingten Lockdowns. Ausgangspunkt der Arbeit war die Überzeugung des Ensembles, dass der äußeren Abschottung innerer Widerstand geleistet werden müsse. Als Reaktion auf die Einschränkungen entschieden sich die Musiker*innen dazu, Personen zuzuhören, deren Geschichten ihnen weiter weg denn je erschienen. So entstanden sind 13 neue Stücke in drei Kapiteln, durch die sich wie ein roter Faden die Thematisierung von Gesellschaftsumbrüchen spinnt: Geschichten vom Leben, Träumen, Hoffen und Vermissen im Sozialismus. Gedichte und Geschichten von und über russische Freiheitskämpferinnen, die mutig aufbegehrten, solange sie konnten. Erzählungen von der beklemmend gewaltsamen Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, (sozialer) Herkunft oder Sexualität in der Welt. Mit der Beschreibung symbolisch zu verstehender Lebensgeschichten -und realitäten, den damit verbundenen individuellen Kämpfen und ihren Folgen für die Beteiligen, geht für das Quartett eine Botschaft der Hoffnung einher: individueller Einsatz, Engagement und der Kampf für eine lebenswerte Zukunft lohnen.

Die Idee des Kollektivs zu STIMMEN entstand 2020 in der Einsamkeit des ersten COVID-19 bedingten Lockdowns. Ausgangspunkt der Arbeit war die Überzeugung des Ensembles, dass der äußeren Abschottung innerer Widerstand geleistet werden müsse. Als Reaktion auf die Einschränkungen entschieden sich die Musiker*innen dazu, Personen zuzuhören, deren Geschichten ihnen weiter weg denn je erschienen. So entstanden sind 13 neue Stücke in drei Kapiteln, durch die sich wie ein roter Faden die Thematisierung von Gesellschaftsumbrüchen spinnt: Geschichten vom Leben, Träumen, Hoffen und Vermissen im Sozialismus. Gedichte und Geschichten von und über russische Freiheitskämpferinnen, die mutig aufbegehrten, solange sie konnten. Erzählungen von der beklemmend gewaltsamen Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, (sozialer) Herkunft oder Sexualität in der Welt. Mit der Beschreibung symbolisch zu verstehender Lebensgeschichten -und realitäten, den damit verbundenen individuellen Kämpfen und ihren Folgen für die Beteiligen, geht für das Quartett eine Botschaft der Hoffnung einher: individueller Einsatz, Engagement und der Kampf für eine lebenswerte Zukunft lohnen.

I. WITNESSES 

 

Komposition: Philip Frischkorn 

Texte: Ellen Hellwig (DE)

 

„Am Beginn der Arbeit stand das Hinterfragen meiner eigenen Vorurteile. Ich wollte herausfinden, wie es war, in der DDR zu leben, und vor allem, wie es war, an der Friedlichen Revolution teilzunehmen und welche Träume damit verbunden waren. Und warum aus so viel utopischem Potenzial auch eine so große Enttäuschung geworden ist, die meinem Gefühl nach bis heute nicht aufgearbeitet wurde.“

Detailliert, unterbrochen von Pausen des Nachdenkens, erzählte Philip Frischkorn von seinem individuellen Zugang zu STIMMEN. „Als ich damals nach Leipzig gekommen bin, hab ich gedacht, dass all diese Orte schon so viel gesehen haben an Zeitgeschichte – die Demonstrationszüge um den Ring – und ich kaum etwas davon weiß und irgendwie auch nicht so viel darüber gesprochen wird, wenn man nicht fragt.“ Ausgehend von diesen Impulsen und Interessen hat sich Frischkorn zum Zeugen der Geschichte von Ellen Hellwig – einer 1946 geborenen Schauspielerin und Sozialistin, die vor und nach der Wende in Leipzig lebte – gemacht.

Mit WITNESSES hofft Philip Frischkorn, gedanklich in Anlehnung an Judith Butler und in Verschränkung von Vergangenheits- und Gegenwartsperspektive eine Art „Trauerritual“ mit Blick auf die Zeit nach dem Ende einer Revolution zu schaffen: „Genau in dem Moment, da man denkt, es sei alles möglich, verengen sich die Möglichkeiten wieder auf eine Realität und für alles, was da untergeht, bräuchte es den Raum, um zu sagen: Es ist aber schade, dass es nicht so oder so gekommen ist“, meint er und fügt hinzu „man sieht die Zustände zu oft nur wie sie sind und nicht, wie sie sein könnten“ und meint abschließend „wir könnten aus der Friedlichen Revolution noch so viel lernen, im besten Fall vielleicht auch, wie ein gelungeneres Zusammenleben funktionieren könnte.“

II. PEACEFUL WARRIORESSES


Komposition: Evgeny Ring
Texte: Daria Serenko (RUS), Yulia Tsvetkova (RUS)

 

Zögernd, beinahe vorsichtig und auf der Suche nach den passenden Worten beginnt Evgeny Ring zu sprechen. PEACEFUL WARRIORESSES widmet sich seinem Heimatland Russland. „Es war nie einfach, sich dort für Freiheit und gesellschaftliche Veränderungen einzusetzen. Als ich selbst noch in Russland lebte, habe ich, wie so viele im Land, das Narrativ ‚man solle sich nicht in die Politik einmischen‘ als selbstverständlich hingenommen. Erst Distanz und viele Jahre des Lebens in Deutschland brachten mir ein Verständnis dafür, in welchem Umfang das Regime Andersdenkende unterdrückt und wie mithilfe von Propaganda seitens des Staates große Teile der Bevölkerung für ideologische Zwecke missbraucht werden.“

Bei der Arbeit an PEACEFUL WARRIORESSES suchte Evgeny Ring nach Personen, die sich künstlerisch mit dem politischen Geschehen in Russland auseinandersetzen. So stieß er auf Daria Serenko, eine zeitgenössische feministische Aktivistin und Dichterin, die 2020 das Literaturprojekt „Zakaznoe Pismo“ ins Leben gerufen hat. In ihren „Auftragsbriefen“, von denen Ring zwei ausgewählt hat, geht es um die landesweiten Massenproteste – „die ersten in der Geschichte des modernen Russlands“ – die im Januar 2021 als Reaktion auf die Festnahme des inzwischen verstorbenen Oppositionsführers Alexei Nawalny begannen. „Demonstrationen, die bereits vor ihrem Stattfinden von der Regierung illegalisiert worden sind. Jede Zeile in Darias Texten ist ein Bild, mit dem jede*r Russe*in etwas anfangen kann.“ Im Mittelteil von Rings Kapitel kommt die Geschichte der Verhaftung der Künstlerin und Aktivistin Yulia Tsvetkova zu Gehör. Ausschnitte aus Interviews mit Tsvetkova illustrieren, wie der Staat auf brutale und gesetzlose Art gegen Kritiker*innen vorgeht. Daria Serenko und Yulia Tsvetkova mussten Russland inzwischen aufgrund drohender Gewalt und Freiheitsstrafen verlassen.

Für Evgeny Ring war es die erste künstlerische Auseinandersetzung mit Textmaterial. „Es ist schwer, mit Text zu arbeiten, der Inhalt geht noch einmal ganz anders ins Innere, wenn man beim Komponieren jede Zeile tausendmal liest und hört.“ Die künstlerische Arbeit zum PEACEFUL WARRIORESSES hat vor Beginn des vollumfänglichen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine stattgefunden. Die im Kapitel erwähnten Themen und Probleme erscheinen Ring zum aktuellen Zeitpunkt wie die Vorstufe einer Katastrophe. „Umso wichtiger ist es für mich, die Stimmen der Freiheitskämpfer*innen, die sich gegen das russische Regime einsetzen, zu verstärken und sie zu unterstützen”, schließt Evgeny Ring.

III. PASS THE MIC

 

Komposition: Eva Klesse

Texte: Sondos Shabayek (EGY), Carolin Emcke (DEU), Fred Hersch (USA) u.v.m.

 

„Was auf den ersten Blick wie mehrere Themen nebeneinander erscheinen kann, ist bei genauerem Hinschauen miteinander verbunden“, sagt Eva Klesse zu pass the mic.

Der erste Song des Kapitels ist inspiriert von Erzählungen des US-amerikanischen Pianisten Fred Hersch über Erfahrungen nach seinem Coming-out: „Es ist okay, dass du schwul bist, aber bitte: ‘Mach mich bloß nicht an‘ sagen ihm männliche Musikerkollegen – als ob alle queeren Personen automatisch übergriffig wären…“ Carolin Emcke hat Herschs Erlebnisse in ihrem Buch „Ja heißt ja und …“ aufgegriffen und auch auf ihre eigene Lebenswelt bezogen. „Diese hieraus sprechende Verunsicherung von Männern, wenn sie auf einmal (gefühlt) in den Blick eines Begehrens kommen, mit dem Frauen* oder queere Personen ja sehr häufig umgehen (müssen), und die Art, damit umzugehen, finde ich schon interessant. Und auch die immer noch mitschwingende Queerfeindlichkeit und den Machismo. Das ist ein Wutsong!“, meint Eva Klesse zu DON’T HIT ON ME.

„Ich hatte das große Glück und Privileg, so viel ins Ausland reisen zu dürfen, andere Menschen und Länder kennenzulernen, daraus erwächst meiner Meinung nach auch eine Verantwortung: nämlich die, verschiedene Lebensrealitäten miteinander zu verbinden, Geschichten weiterzutragen. Vielleicht nicht immer auf der Bühne, aber eben auch.” Auf einer Konzertreise nach Ägypten erfuhr Eva Klesse in Gesprächen, dass über 80 % der Frauen dort der Praxis der Genitalverstümmelung ausgesetzt sind. „Das hat mich sehr mitgenommen und beklommen gemacht.” Sondos Shabayek, eine Theater- und Filmemacherin, Intimitätskoordinatorin und feministische Aktivistin aus Kairo/ Berlin hat Erfahrungsberichte von ägyptischen Frauen gesammelt – diese Stimmen kommen in 8 OUT OF 10 zu Wort.

YOU CANNOT BE WHAT YOU CANNOT SEE beschließt Eva Klesses Kapitel – „Das ist eine Hoffnungshymne!”. Stimmen von gesellschaftspolitisch engagierten Women* of Color sind hier zu hören. „Hier geht es unter anderem um Repräsentation: wenn wir nicht sehen, was wir sein können, dann streben wir vielleicht auch nicht danach“, so die Schlagzeugerin. Und: „Wer sich „unpolitisch“ verhält, verhält sich politisch. Weil damit einfach die bestehenden Machtverhältnisse unterstützt werden. Ich bin froh, mit diesem Projekt nun an die Öffentlichkeit zu gehen – auch wenn es für uns und das Publikum herausfordernd sein kann.“ Klar ist für Eva Klesse, dass man sich durch eine Veröffentlichung wie STIMMEN „verletzlicher macht, als wenn man ausschließlich seine (Instrumental-) Musik präsentiert“, macht im gleichen Atemzug jedoch auch deutlich: „Ich finde es wichtig und immer wichtiger, sich zu positionieren – auch für uns Musiker*innen“.